Das Buch
Waibel, J (2016). Kommunikationskultur in Familienunternehmen. Unternehmer im Gespräch – von Führungsverantwortung über Konfliktlösung bis zur Nachfolgeregelung. Haufe: Freiburg“.
Das Buch liegt als Printausgabe, als E-Book sowie im PDF-Format vor.
Der Autor
Herr Jochen Waibel ist Diplom-Psychologe, Wirtschaftscoach und Mediator. Er ist Gründer und Geschäftsführer des Instituts Stimmhaus® Stimme. Führung. Mediation. in Hamburg-Winterhude (www.stimmhaus.de). Er berät vornehmlich Vorstände und Unternehmer, insbesondere von mittelsändischen und Familienunternehmen.
Das hier rezensierte Buch ist sein viertes Fachbuch; DIE ZEIT beschrieb es als „Buddenbrooks für Manager“.
Aufbau und Inhalt
Das Buch besteht aus 11 Kapiteln sowie einem Anhang. Jedes Kapitel beginnt mit einer Kurzzusammenfassung über den Inhalt; oft ergänzt durch Metaphern und Vergleiche.
Kapitelübersicht:
- Vom ältesten Gasthaus und der ältesten Brauerei der Welt zu den Geheimnissen der Familienunternehmen
- Großväter und –mütter sowie Väter und Mütter als Vorbilder und „Portalfiguren“
- Die Familie als Mittel•Punkt im Unternehmenszusammenhang
- Der Patriarch als Ausgangspunkt von Führung
- Kommunikation zwischen Nähe und Distanz
- Individuelle Kommunikationsstärken optimal entfalten
- Wie sich Konflikte verhärten oder gelöst werden können
- Drei Seiten einer Medaille
- Stimmiges familiäres Handeln durch den Kompass der Stimmigkeit
- Konzentration und Vertiefung
- Von der Idee zur Nachhaltigkeit
- Anhang
Für mich selber besteht das Buch aus drei Hauptteilen sowie einem Zusatzteil.
In Kapitel 1-3 wird dargestellt, wie der Autor Familienunternehmen sieht und versteht. Dies verbindet er immer wieder mit seinen eigenen persönlichen Eindrücken und Erfahrungen.
Kapitel 4 und 5 wird die Kommunikation in Familienunternehmen geschildert, ausgehend von der Person des Familien(unternehmens)oberhauptes (dem „Patriarchen“) und der Umgebungsbereiche, in denen sich die Beteiligten bewegen.
In Kapitel 6-9 wird dargestellt, wie Veränderungen und Verbesserungen initiiert werden können.
Ergänzend behandeln Kapitel 10-11 das Flow-Konzept sowie den Aspekt der Nachhaltigkeit; das Buch endet mit einem Überblick über die Unternehmen der Interviewpartner im Anhang.
Diskussion
Das Buch ist in einem angenehmen Tonfall geschrieben, beim Lesen hatte ich das Gefühl, als spreche der Autor direkt zu mir und „plaudere“ mit mir über seine Eindrücke von Familienunternehmen und lasse mich an seinen Gedankengängen teilhaben. Die Auszüge aus den Interviews mit den Mitgliedern der Unternehmerfamilien sind passend eingestreut und unterstützen die „lockere Stimmung“, die ich beim Lesen des Buches empfunden hatte.
Vielleicht auch grade deshalb suchte ich im Verlauf des Buches öfter nach dem „roten Faden“. Manchmal war für mich nicht eindeutig, was der Autor mir vermitteln möchte. Beschreibende Eindrücke von der Mentalität und der Kommunikationskultur von Familienunternehmen? Ansätze für Mediations-Interventionen und zur Auflösung von Kommunikationsblockaden? Oder wollte er seine eigenen Ideen und Gedanken mit dem Leser teilen? So konnte ich auch Kapitel 10 und 11 nur bedingt den vorherigen Kapiteln zuordnen.
Sicherlich lag dies auch an meiner (Vor-)Erwartungshaltung, ein Buch mit Schwerpunkt auf Konfliktmediation in den Händen zu halten. Erst beim Lesen wurde mir deutlich, dass es sich hier v.a. um die Darstellung (wie der Titel bereits sagt) der Kommunikationskultur und der Sichtweise der Unternehmer auf Führung, Konflikte und Nachfolgeregelung handelt (der Darstellung dieser Kommunikationskultur wird das Buch auf jeden Fall gerecht, s. auch das Fazit weiter unten).
Die Interviews sind sicherlich die Besonderheit des Buches und machen es zu einer besonderen Darstellung von Familienunternehmen. Die Gespräche und die Kommentare des Autors dazu sind interessante Momentaufnahmen in die Denk- und Kommunikationsweise von Führungskräften sowie deren Beziehung untereinander. Bei mir als Leser entstanden Bilder und Eindrücke davon, was ein Familienunternehmen für die Familienmitglieder bedeutet. Gegen Ende hin habe ich allerdings die Interviews dann phasenweise als Wiederholung erlebt, hier wäre für mich weniger mehr gewesen.
Im Buch werden viele Arbeitsmethoden und Modelle vorgestellt, die mit der vom Autor vermittelten Haltung von Wertschätzung und Lösungsfokussierung gute Ansatzpunkte für Veränderung bei gleichzeitigem Respekt vor der Individualität (der Familienunternehmen/ -mitgliedern) geben. Mir persönlich haben die „Kontaktenergien“ (Kap 7), „Die drei Seiten einer Medaille“ (Kap. 8), der „LED-Schnelltest“ (Kap. 8) sowie das „Beziehungsrad“ (Kap. 9) besonders gut gefallen; diese Ideen werden sicherlich in meine eigene Arbeit als Coach und Supervisor einfließen.
Dennoch ist mir die Darstellung speziell der Kontaktenergien, aber auch die anderer Konzepte (z.B. die 9 Teamrollen, Kompass der Stimmigkeit, die Salemer Gesetzte für KAMU) persönlich zu knapp dargestellt gewesen. Als Leser war mir hier nicht ganz klar, auf welche Art und Weise der Mediator diese im Unternehmen einführt und anwendet; so ist für mich ein Stück weit Verwirrung und Unklarheit geblieben.
Ich arbeite gerne handlungsorientiert; hier hat mir das Buch für meinen Geschmack zu wenig „Material“ in die Hand gegeben und hätte mir mehr Praxiserläuterung statt tlw. Verweise auf andere Werke des Autors gewünscht.
Fazit
Das Buch ist keine Gebrauchsanweisung mit fertigen Werkzeugen für Mediatoren. Das Buch versteht sich auch nicht als Fachbuch mit dem Anspruch auf universelle Gültigkeit. Dazu gibt es sicherlich andere Werke.
Wer hingegen persönliche Eindrücke der (Kommunikations-)Kultur Familienunternehmen sucht, um diese dann mit seinen eigenen Erfahrungen als Organisationsentwickler, Coach oder Mediator zu verbinden, für den ist das Buch von Jochen Waibel eine sinnvolle Ergänzung.
Als zusätzlichen Pluspunkt werden die Interviews in ihrer vollen Länge mit einem im Buch angegebenen Code zum kostenfreien Download angeboten.
Stephan Druckrey
Dipl-Psychologe, Coach und Supervisor
www.druckrey-coaching.de