Manche Fragestellungen sind für den Klienten in seinem Erleben deutlich unterscheidbar und damit entscheidbar. Bei vagen Dingen jedoch fällt die Unterscheidung mitunter schwer. Hier sind die einzelnen Positionen oft nicht eindeutig voneinander abgrenzbar (codierbar), es handelt sich dann um „uncodierbare Probleme“ (1).
Die Frage von „Entscheidbar – Unentscheidbar“ bzw. „codierbar – uncodierbar“ scheint nicht nur auf der Seite der Klienten eine Rolle zu spielen, sondern auch auf der Seite Desjenigen, bei dem die Klienten Rat und Unterstützung suchen.
In Zeiten, in denen Abgrenzungsversuche von Beratung, Psychotherapie, Training, Coaching und Supervision zu den jeweils anderen Formaten durchgeführt werden (2), gibt es quasi als Gegenbewegung die Bemühungen, Getrenntes zusammenzuführen. Die Frage, inwieweit Supervision und Coaching etwas Gleiches oder etwas Unterschiedliches darstellen, beschäftigt beispielsweise verscheiden Fachverbände.
Die Deutsche Gesellschaft für Supervision (DGSv) erklärte die Fortführung der Diskussion zur Differenz zwischen Supervision und Coaching als nicht gewinnbringend und dass Supervision oder Coaching heutzutage gleichermaßen angefragt werde (3).
Die Deutsche Gesellschaft für Coaching (DGfC) hingegen sieht Unterschiede zwischen Coaching und Supervision weniger in der konkreten Beratungspraxis, sondern in den Kontexten, in denen diese Beratungsinstrumente angewandt werden.
Coaching ziele auf die „Förderung der Potentiale zur Erreichung von selbstgesteckten Zielen im institutionellen Zusammenhang“ und bearbeite Fragen die im Kontext der Berufswelt entstehen würde, während Supervision eine „existentielle Klarlegungsarbeit im beruflichen Kontext“ mit “ professionelle Beziehungsreflexion mit Menschen, deren Beruf die Arbeit mit Menschen ist “ sei (4).
Bei dieser Unterscheidung, bei der die historischen Wurzeln mit einfließen (Coaching im Leistungssport vs. Supervision in der psychosozialen Arbeit) scheint die Trennung klarer. Betrachtet man andere Definitionen von z.B. Coaching, sind die Grenzen hier wieder fließend:
Die Systemische Gesellschaft (SG) versteht Systemisches Coaching zwar angesiedelt in Organisationen bzw. den jeweiligen Arbeitswelten, sieht dieses jedoch auch u.a. zur Förderung der persönlichen Entwicklung unter Berücksichtigung aller Systemebenen an (5).
Eine Abgrenzung von „privat vs. beruflich“ oder „Wirtschaft vs. Psychosozial“ entspräche auch kaum dem systemtheoretischen Denken.
Noch deutlicher wird die Undeutlichkeit einer klaren Grenze bei der Definition des Existentiellen Coaching, welches ausgehend von einem existenzphilosophischen Menschenbild die Begriffe Existenz, Erfüllung, Zustimmung, Freiheit, Verantwortung, Sinn in den Mittelpunkt stellt (6).
Da zumindest gefühlt die Welt komplexer wird und auch in der Arbeitswelt eine Schnittmenge von wirtschaftlichen als auch psychosozialen Aspekten zu beobachten ist (z.B. psychische Gefährdungen am Arbeitsplatz, Burn-Out Prävention oder Work-Life-Balance), Wirtschaftsunternehmen mehr das zwischenmenschliche Beziehungsgefüge und Institutionen des Gesundheitswesens wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigen (müssen) und hier wie dort Einzelpersonen als auch Teams gleichermaßen von einer Erweiterung der Perspektiven und damit einer Erhöhung der Handlungsoptionen profitieren, erscheint für mich persönlich eine Abgrenzung von Supervision und Coaching im Sinne einer Trennung wenig hilfreich.
Da die Versuche der Unterscheidung von vagen Dingen wahrscheinlich wenig Relevanz für die Klienten haben, ergänze ich mein Leistungsangebot neben dem „klassischen“ Coaching auch durch Supervision, um auf einer breiten Ebene den verschiedenen Anliegen meiner Klienten gerecht zu werden.
Beide Beratungsinstrumente fundiere ich in den systemischen und humanistischen Ansätzen und ergänze sie individuell und spezifisch je nach Bedürfnis und Zielsetzung des Klienten bzw. der Klienten-Gruppe, den Fragestellungen und dem Kontext durch weitere Instrumente aus Coaching- und Supervisionsansätzen als auch Organisationsentwicklung, Konfliktmanagement oder entsprechende Fachexpertise.
Coaching und Supervision – konkret und vage zugleich!
Quellen:
(1) Fuchs, P. (2011): Die Verwaltung der vagen Dinge. Heidelberg: Carl-Auer-Verlag.
http://www.systemagazin.de/buecher/vorabdrucke/fuchs_verwaltung_der_vagen_dinge.php (abgerufen am 03.05.2016)
(2) Coaching Report: Unterschiede zwischen Coaching und Supervision.
http://www.coaching-report.de/definition-coaching/modelltheoretischer-hintergrund/coaching-vs-supervision.html (abgerufen am 03.05.2016)
(3) DGSv (2011): Das Ende eines unerklärlichen Unterschieds — Stellungnahme zur Diskussion der Begriffe Supervision und Coaching.
http://www.dgsv.de/2011/10/supervision-und-coaching-ganz-auf-einer-linie/ (abgerufen am 03.05.2016)
(4) Deutsche Gesellschaft für Coaching e.V.: Einige Gedanken zum Unterschied von Coaching und Supervision.
https://www.coaching-dgfc.de/Documents/Portal_Files/190/Unterschied_SV_-Coaching.pdf (abgerufen am 03.05.2016)
(5) Systemische Gesellschaft: Systemisches Coaching.
https://systemische-gesellschaft.de/systemischer-ansatz/arbeitsbereiche/systemisches-coaching/ (abgerufen am 03.05.2016)
(6) Existential Training & Leadership Academy – Akademie für Existentielles Training und Führungsfragen: Was ist Existentielles Coaching.
http://et-l.org/was-ist-existentielles-coaching/ (abgerufen am 03.05.2016)