Heute: ESVP-Abfrage
Steve deShazer (Systemisch-Lösungsfokussierter Ansatz / Schule von Milwaukee) hat sich kritisch mit dem Widerstandskonzept in der Psychotherapie auseinandergesetzt und stattdessen das Konzept der Kooperation vorgeschlagen:
Auch ich mache in meinen Coachings und Trainings die Erfahrung, dass eher ein konstruktiver gemeinsamer Weg eingeschlagen werden kann, wenn man ein (scheinbar) widerständiges Verhalten des Gegenübers nicht als „Widerstand“ (neudeutsch: „fehlendes Commitment“) deutet, sondern es als Lösungsversuch wahr*nimmt und wertschätzt.
Eine Möglichkeit dorthin ist es, die Option zu eröffnen, dass sich jemand auch gegen seinen Willen gezwungen fühlen kann, in dieser Situation zu sein.
Um in Seminaren diesen Raum zu eröffnen (und auch, um weitere Haltungen/Stimmungen der Teilnehmer*innen abzufragen), verwende ich gerne die ESVP-Abbfrage.
Auch dieses ist eine Methode aus dem agilen Werkzeugkasten, die praktisch als auch in ihrer theoretischen Implikation mit dem Systemischen Ansatz konform geht.
Was ist die ESVP-Abfrage?
Bei dieser Abfrage werden den Teilnehmern (komplexitätsreduzierend) vier Möglichkeiten präsentiert und sie gebeten, sich in eines dieser Felder einzuordnen (gerne auch an den Grenzen der Felder). Auch hier ist dies keine „Wirklichkeit“, auch hätte man statt vier auch drei, acht oder siebzehn Felder nehmen können. Ziel ist es eher, die Aufmersamkeit auf die Frage zu lenken, mit welcher inneren Haltung man am Seminar teilnimmt und im Anschluss dann ggf. überzuleiten zu der Frage, wie man als Gruppe – bei vorhandenen Haltungen – nun das Sminar gemeinsam gestalten möchte.
Die Kategorien der ESVP-Abfrage
Grundsätzlich stehen bei ESVP vier Kategorien zur Verfügung:
- E steht für Explorer:
Fühlt sich jemand wie ein Entdecker, dann möchte er/sie neue Ideen und Erkenntnisse gewinnen, möglichst viel sinnvolle Informationen erfahren, eben für sich spannendes Neuland betreten. - S steht für Shopper:
Ein Einkaufbummler schlendert durch die Fußgängerzone, schaut sich neugierig alles an, ohne etwas Bestimmtes zu suchen. Findet er etwas, das ihn interessiert, nimmt er es dankbar an. Findet er ncihts für sich, hat er zumindest einen netten und kurzweiligen Tag verbracht. - V steht für Vacationer:
Der Urlauber interessiert sich nicht wirklich für die konkreten Inhalte, hat auch keine diesbezüglichen Erwartungen. Er oder sie möchte nur eine entspannte und angenehme Zeit ohne Stress haben. - P steht für Prisoner:
Der Gefangene fühlt sich zur Teilnahme gezwungen bzw. nimmt nicht freiwillig teil. Eventuell ist diese Option die am wenigsten Unangenehme. Am liebsten wäre er ganz woanders, nur nicht hier.
Durchführung
Ich selber mache meistens eine Punkteabfrage mit Klebepunkten. Alle Teilnehmer kleben den Punkt an die Stelle des Schaubildes mit den vier Feldern, an dem sie sich verorten. Diese Abfrage kann gleichermaßen „öffentlich“ wie geheim abgehalten werden (wenn das Schaubild hinter einem Metaplan aufgehangen ist und jede*r Teilnehmer*in einzeln vortreten.
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