Heute: Lean Coffee
Meetings habe oft eines gemeinsam: sie werden als langweilig wahrgenommen, u.a. da man sich zu Tode diskutiert, ohne dass etwas Produktives dabei herauskommt. Wenn es ganz schlimm kommt, dann wird der vorher angesetzte Zeitrahmen deutlich überschritten (ein Team berichtete mir, dass die „offiziell“ auf 30 Minuten angesetzten Besprechungen teilweise auf bis zu 2 Stunden ausgedehnt werden….).
Man befindet sich offensichtlich im ersten Höllenkreis (alternativ darf man sich an den Mythos von Sisyphos erinnert fühlen)
Um Meetings effizienter und effektiver zu gestalten, gibt es eine Reihe von Tools, von denen „Lean Coffee“ eines ist.
Lean Coffee ist ein Gesprächsformat, mit dessen Hilfe die Mitglieder eines Teams oder einer Gruppe ihren Austausch auf sehr einfache Art strukturieren können. Ziel ist es, in einem begrenzten Zeitraum so viel wie möglich zu besprechen, ohne den Fokus zu verlieren.
Geeignet für kleinere Gruppen (weniger für große), können mehrere, durchaus auch verschiedene Themen in einem festgelegten Zeitraum diskutiert werden sollen, ohne dass ein bestimmtes Ergebnis erreicht werden muss (offener Diskussionsausgang).
Das offene Format erlaubt es jedem, seine Fragestellung einzubringen. Mit überschaubarem organisatorischem Aufwand und geringen Anforderungen an die Moderation ist es leicht umzusetzen, die Struktur durch Zeitfenster („Timeboxing“) und Visualisierung gibt dem Verfahren trotz des themenoffenen Charakters eine klare Struktur und verhindert ausufernde Diskussionen.
Der Ablauf:
- Zu Beginn wird ein Flipchart oder ein
Whiteboard mit einer Tabelle (Kanbanboard) mit drei Spalten vorbereitet: (1) „zu diskutieren“, (2) „in Diskussion“ und (3) „diskutiert“. Alternativ können die Spalten
auch. „bereit“, „in Arbeit“ und „erledigt“
lauten.
Das Zeitfenster für die einzelnen Diskussionsrunden (sowie für eventuelle Verlängerungen) und die Art der Entscheidungsfindung werden bestimmt (s.u.) und ein Zeitnehmer („Hüter der Zeit“) wird benannt. Ein Moderator (der evtl. ebenfalls bestimmt werden muss) leitet dies an und/oder die Gruppe organisiert sich dabei selbst.
- Es werden dann Themen bzw. Fragen
gesammelt. Jede/r Teilnehmer/in notiert seine/ihre persönlichen Fragen auf
Moderationskarten oder Klebezettel. Sämtliche Fragen werden untereinander und
für alle Teilnehmer sichtbar in der Spalte „zu
diskutieren“ angeordnet. Eine Begrenzung der Anzahl vor Fragen pro
Teilnehmer gibt es nicht (zur Ausnahme s. weiter unten). Idealerweise hat jeder
Fragensteller die Gelegenheit, in aller Kürze die Hintergründe seines Themas
bzw. Frage zu erläutern und so Neugier für das jeweilige Thema zu wecken.
- Gemeinsam werden die Themen priorisiert.
Z.B. darf jede/e drei Punkte (wahlweise auch zwei oder fünf) auf die Karten verteilen
(am einfachsten durch Markieren mit einem Boardmarker). Man kann die Punkte auf
eine oder auch auf mehrere Karten verteilen. Die Karten werden dann in der
Reihenfolge der abgegebenen Stimmen sortiert, wobei das höchste bewerte Thema
ganz oben steht, das am niedrigsten bewertete Thema ganz unten.
- Die Diskussionsrunde startet, in dem die
oberste (am höchsten priorisierte) Karte in die Spalte „In Arbeit / in Diskussion“ verschoben wird, d. h. dieses Thema wird
dann von der Gruppe in einem festgelegten Zeitfenster (= Timebox) diskutiert
(meist 5 oder 10 Minuten, s.o.). Der Fragensteller erläutert zu Beginn kurz den
Hintergrund seines Themas und bei Bedarf ein gewünschtes Ergebnis und die
Diskussion beginnt.
- Der „Hüter der Zeit“ achtet darauf, wann
die Timebox abgelaufen ist und gib einen Hinweis an die Gruppe.
- Nach Ablauf der Timebox entscheidet die
Gruppe gemeinsam, ob die Diskussion weitergeführt wird.
Die Abstimmung kann z.B. einfach per Handzeichen oder mittels „Daumen hoch“ und „Daumen runter“ („Römisches Votum“) erfolgen.
Im Vorfeld sollte geklärt werden, ob es einen Mehrheitsentscheid oder einen Veto-Entscheid geben soll. Beim Veto-Entscheid reicht eine für das Ende der Diskussion votierende Stimme, um die Diskussion während des Treffens zu beenden. Beim Mehrheitsentscheid wird die Diskussion weitergeführt, wenn die die Mehrheit der Daumen nach oben zeigt und beendet, wenn die Mehrheit der Daumen nach unten zeigt.
- Kommt es zu einer Verlängerung beginnt
je nach Vereinbarung ein neues Zeitfenster mit
a) identischer Dauer oder b) verkürzter Dauer (bspw. die Hälfte der ursprünglichen Timebox).
Nach einer möglichen zweiten Runde folgt ebenfalls eine Abfrage. Sollte die Abstimmung eine weitere Verlängerung ergeben, sollte das Thema in einem separaten Meeting erörtert werden (da der Bedarf und das Interesse der Gruppe daran dann wohl sehr hoch sind). Damit weitere Themen im Rahmen des Treffens behandelt werden können, wandert die Moderationskarte in „diskutiert“ oder alternativ in eine separate Spalte „separates Meeting“.
- Kommt es zu keiner Verlängerung, dann
wird die zugehörige Karte auf „Erledigt“
verschoben und die nächste Karte (immer von oben nach unten) von der Spalte „Bereit“ in „In Arbeit/in Diskussion“
verschoben. Das nächste Thema steht zur Diskussion bereit. Der Moderator
schiebt die zweite Moderationskarte in die Spalte „in Diskussion“ und diese startet.
- Kommt es zu einer Verlängerung beginnt
je nach Vereinbarung ein neues Zeitfenster mit
Dieser Ablauf (Nr. 4 – 6) wird solange wiederholt, bis alle Themen diskutiert worden sind oder das Zeitfenster für den Lean Coffee abgelaufen ist.
Epilog…
Eine Begrenzung der Anzahl von Fragen/Themen kann aus meiner Sicht sinnvoll sein, wenn zum einen der gesamte Ablauf des Lean Coffee einer Zeitbegrenzung unterliegt und wenn es sich eher um ein einmaliges Treffen handelt (so dass dann nicht sinnvollerweise die übrig gebliebenen Themen/Fragen für das nächste Mal aufgehoben werden können).
Nicht geeignet ist Lean Coffee für größere Gruppen und/oder für die intensivere Bearbeitung konkreter Fragestellungen. Da sich Lean Coffee besser zum Erfahrungsaustausch eignet, sollte für die Bearbeitung konkreter Fragestellungen ein anderes Format gewählt werden.
Teilweise kam in Workshops die Frage auf, ob der Zeitnehmer auch die Einhaltung der Zeit durchsetzen soll, wenn die Gruppe sich nicht daran hält. Da die agilen Techniken immer auch auf den Agilen Werten wie z.B. Selbstverpflichtung und Respekt aufbauen, sollte aus meiner Sicht zum einen davon ausgegangen werden, dass die Gruppe sich in Eigenverantwortung auch an die selbst auferlegten Abläufe hält. Zum anderen würde es dem Wesen der Selbstorganisation (in diesem Kontext) widersprechen, wenn direktiv ein bestimmter Gruppenprozess kontrolliert werden soll. Ein zentrales Prinzip des Open Space findet meiner Meinung nach auch hier Anwendung: Was auch immer geschieht, es ist das Einzige, was geschehen konnte.
Abgrenzung zu Open Space:
Lean Coffee unterscheidet sich von Open Space dadurch, dass es nur eine Diskussion mit allen Teilnehmern gibt (statt vielen Diskussionen mit Teilgruppen), die Diskussion zu einem Thema von vornherein zeitlich begrenzt ist und am Ende des Treffens nicht notwendigerweise ein Handlungsplan steht.