Es gibt verschiedene Arten, wie der Begriff „Widerstand“ aufgefasst werden kann.
Eine Variante wäre, ihn als etwas zu verstehen, was „gebrochen“ werden muss. Wenn der Berater davon spricht, jemanden „geknackt“ zu haben, ist dies meist ein guter Hinweis darauf, dass das Erleben von Widerstand beim Berater/Coach als „harte Nuss“ definiert wurde, die gebrochen werden will.
Ein wesentlich angenehmeres und dabei auch deutlich effektiveres Verständnis von Widerstand möchte der Autor in dieser Serie darstellen. Sie ergänzt dabei die Serie „Vom Wesen der Stagnation im Coaching“.
Zum Einstieg eine relativ einfache (dabei aber nicht leichte) Betrachtungsweise des Erlebens von Widerstand: meistens wird die Zuschreibung „Widerstand“ dann verwendet, wenn der Klient nicht das macht, was der Coach/Supervisor/Berater/Therapeut/Trainer von ihm verlangt.
Gemäß der klassischen Stressreaktion hat der Klient in solchen Fällen drei Handlungsoptionen:
Abhauen: kommt nicht zu Terminen, hält Absprachen nicht ein, ist ausweichend in seinen Schilderungen, usw.
Draufhauen: wird wütend auf den Coach, beschuldigt ihn, diskutiert mit ihm, versucht seine Meinung durchzusetzen, usw.
Totstellreflex: schweigt, fordert den Coach auf, an seiner statt zu entscheiden, usw.
Eine der hilfreichsten Fragestellungen für solche Situationen hat der Autor von Ralf Wesuls erhalten. In einer Deeskalations-Schulung sagte Ralf uns, dass wir, wenn wir uns nur eine Sache aus der Fortbildung merken würden, es dieser Satz sein sollte:
„Welche innere Not treibt den Menschen?“
Wenn ich das Verhalten meines Gegenübers als Ausdruck einer inneren Not verstehe, die ihn/sie dazu bringt, sich in diesem Moment genau auf diese Art und Weise zu verhalten; wenn ich davon ausgehe, dass der andere gerne mit mir kooperieren möchte, es in diesem Moment aufgrund der inneren Not aber nicht kann, dann habe ich Ansatzpunkte, um (gemeinsam mit dem Klienten) diese innere Not zu erforschen. Wenn dieser Erforschungsprozess von Seiten des Coaches getragen wird von authentischem Wohlwollen und einer allparteilichen Neugier, wenn also ein guter Rapport hergestellt wurde, dann verschwindet der Widerstand.
Drei hilfreiche Fragestellungen für den Coach zur Erforschung der inneren Not des Klienten haben mein Kollege Matthias Reese und ich in unserer damaligen Zusammenarbeit als Personalentwickler und Trainer entwickelt.
Zum schnellen Umgang mit Widerstand bzw. Störungen/Unruhe in Workshops und Seminaren hatten wir als Heuristik drei mögliche Problemarten verwendet:
1.) Das Ich-Kann-Nicht-Problem
2.) Das Ich-Weiß-Nicht-Problem
3.) Das Ich-Will-Nicht-Problem
Bei einem Ich-Kann-Nicht-Problem kann der Klient bzw. Seminarteilnehmer nicht aufmerksam und konzentriert mitarbeiten, weil ihn etwas daran hindert. Dass kann schlechte Akustik sein, eine akute Überforderung aufgrund von Müdigkeit oder Hunger (engagierte Trainer neigen manchmal dazu, Pausen zu streichen und durchzuarbeiten….), eine versperrte Sicht auf die Leinwand, usw. Hier gilt es, die Hinderungsgründe aufzulösen (Mikrofon neu einstellen, Pausen einleiten, usw.)
Bei einem Ich-Weiß-Nicht-Problem fehlen dem Gegenüber Hintergrundinformationen, Vorwissen oder gedankliche Zwischenschritte, die der Coach für sich gezogen hat, bei denen der Klient jedoch nicht folgen konnte. Hier ist es hilfreich, zurück auf den Informationsstand des Klienten zu gehen (wieder bei ihm anzukoppeln), die fehlenden Gedankengänge oder Informationen nachzuliefern und von dieser gemeinsamen Basis aus weiterzugehen.
Beim Ich-Will-Nicht-Problem tut, lapidar gesagt, der Klient nicht das, was der Coach von ihm will. Wenn der Klient das eine nicht will, dann möchte er meist etwas anderes. Bei unterschiedlichen Zielvorstellungen tritt ein Rapport-Bruch ein, der Klient möchte nicht mehr folgen, da er seine eigenen Ziele unberücksichtigt und bagatellisiert sieht. Die VW-Regel, die aus dem Vorwurf (an den Coach) einen Wunsch macht, hilft hier, die eigentlichen Bedürfnisse und Wünsche des Klienten herauszuarbeiten. Das setzt meistens voraus, dass der Coach sich selber nicht in den Vordergrund stellt, ggf. auch fehlende Aufmerksamkeit gegenüber dem Klienten zugibt und sich (wieder) an den Wünschen und Zielen des Klienten orientiert (Ziele….nicht unbedingt auch gewünschte Vorgehensweise!).
Mit den hier skizzierten Heuristiken („Innere Not“ und die drei Probleme) hat man sehr universell einsetzbare Handwerkszeuge, die im Umgang mit Widerstand hilfreich sein können.
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