In Teil 1 wurde die Idee eingeführt, dass ein von außen als Stagnation erlebtes Verhalten des Klienten auch als hochdynamische Anpassungsleistung verstanden werden kann, was wiederum Ansatzpunkte für die weitere Arbeit ermöglicht.
In Teil 2 wurde die Stagnation bzw. das Verhalten des Klienten als Ausdruck von unerfüllten oder nicht ausreichend berücksichtigten Bedürfnissen gesehen, wodurch Zielkonflikte eintreten.
Im dritten Teil geht es um die Frage, ob die andauernde Aufrechterhaltung des Status Quo auch als Ausdruck einer Entscheidungsunsicherheit verstanden werden kann.
In komplex-dynamischen nicht-linearen Systemen („das Leben“) ist eine sichere Vorhersage von Ergebnissen als Folge vorheriger Handlungen („wenn A, dann B“) nicht möglich. Zwar lässt sich mit einer mehr oder weniger verlässlichen Wahrscheinlichkeit sagen, welche Ergebnisse eher eintreten werden. Ob diese Ergebnisse dann wiederum im weiteren Verlauf zu erwünschten Folgen führen, ist dann aber erneut unklar. Auch hier handelt es sich um vage Dinge.
Auch die Reaktionen eines menschlichen Gegenübers sind nicht im Sinne einer trivialen Maschine vorhersagbar. In sozialen Interaktionen werden die von außen auf das psychische System treffenden Informationen (Sprache, Handlungen, Erwartungen, usw.) nicht unverändert übernommen, sondern gemäß der eigenen Systemstrukturen (strukturelle Determiniertheit) neu interpretiert und auf die jeweilige Situation angepasst. Der „Output“ des psychischen Systems ist nicht eindeutig vorhersagbar. Somit können unterschiedlicher Input zu gleichem Output führen (Äquifinalität), während gleicher Input durchaus unterschiedlichen Output zur Folge haben kann (Multifinalität).
Obwohl die Aussage, dass man die Zukunft nicht vorhersagen kann, banal erscheint, wird dies dennoch immer wieder versucht. Viele Problemlöseverfahren, wie sie auch im Coaching oder der Supervision Anwendung finden, basieren auf diesem Gedankengang. Vom Klienten geschilderte Anliegen werden dann oft so behandelt, als seien sie im Sinne eines Problems eindeutig und linear lösbar.
Reagiert der Klient mit einer Aufrechterhaltung des Status Quo, z.B. durch fortwährendes Pendeln in der Ambivalenz, durch Nicht-Einhaltung von Absprachen bei gleichzeitiger Formulierung von Hilfewünschen oder durch Infragestellen der Lösungsbemühungen des Coaches (gemeinhin als „Widerstand“ des Klienten zusammengefasst), so kann dies ein Hinweis darauf sein, dass der Klient für sich mit einer erlebten doppelten Unsicherheit konfrontiert wird: es ist unsicher, was ein Lösungsversuch bewirken könnte und es ist unsicher, was eine Aufrechterhaltung des Status Quo bewirken könnte.
Der mögliche Gewinn und die möglichen Kosten sind für den Klienten nicht auf beruhigende Weise abschätzbar. Da (im Sinne der Stressreaktion) weder Flucht noch Angriff möglich erscheinen, tritt ein Totstellreflex ein: die aktuelle Situation wird weder verändert, noch akzeptiert (eine Annahme der aktuellen Situation käme einer Entscheidung für den Status Quo gleich und wäre so gesehen ein Schritt vorwärts).
Die Schwierigkeit, sich nicht eindeutig und sicher für die „richtige“ Lösung entscheiden zu können, kann damit zusammenhängen, dass es sich hierbei um ein Problem handelt, das entsprechend der bisherigen Zielwünsche nicht erreichbar bzw. lösbar ist. Ob es sich hierbei um ein lösbares oder unlösbares Problem handelt, ist dabei oft nicht eindeutig zu sagen.
Eine Interventionsmöglichkeit des Coaches stellt das Reflektieren des Lösungsversuch des Klienten (Versuch, eindeutige Sicherheit über nicht-sichere Aspekte zu erhalten) dar: handelt es sich bei der Aufgabe, die der Klient sich gestellt hat (eine eindeutige Aussage über die zukünftigen Folgen seiner Entscheidungen zu finden) um ein lösbares Problem oder um eine unlösbare Restriktion?
Die schnelle, durch den Verstand vorgegebene Antwort („man kann die Zukunft nicht vorhersagen!“) ist meistens nicht diejenige, die den Klienten auch emotional führt („Ich weiß, dass das nicht geht – aber trotzdem wünsche ich es mir!“). Hier ist sehr häufig der innere Wunsch vorhanden, trotz anderslautender Einschätzung des Verstandes dennoch eine sichere Aussage über die Zukunft zu erhalten.
Dies entspricht der Strategie, durch eine Erhöhung der Kontrolle (genau einschätzen, was die Zukunft bringt) eine Reduktion von Angst (als Folge von Unsicherheit) zu erzeugen. Insofern handelt es sich auch hier um einen wertzuschätzenden Lösungsversuch des Klienten.
Zur Auseinandersetzung mit der Frage, ob man mit einem unlösbaren Aufgabe konfrontiert ist und welche innere Haltung man darauf einnehmen möchte, bieten die humanistisch-existenziellen Ansätze ein reiches Konzept- und Methodenspektrum. Hier geht es weniger um eine einfache methodische Intervention, sondern mehr um ein „inneres Ringen“ mit eigenen Glaubenssätzen und Identitätsvorstellungen.
Weitere hilfreiche Unterschiedsbildungen, die der Coach hier einführen kann, sind z.B. Teilearbeit, personzentrierte Methoden oder das Tetralemma.